Juristisch und sachlich ist die Ausgrenzung kaum zu rechtfertigen
Viele Verfassungsrechtler warnen davor, dass eine Aktivrente ohne Gewerbetreibende, Freiberufler gegen das Grundgesetz verstößt. Dort ist der Gleichheitsgrundsatz ebenso verankert wie das Recht auf freie Berufswahl, auch in Form einer Selbstständigkeit.
In der jetzt geplanten Form läuft die Aktivrente darauf hinaus, dass Menschen für ihre selbstständige Tätigkeit mit Steuern bestraft werden, die Beschäftigten im gleichen Alter und gleichem Bruttoeinkommen erlassen werden. Das prangern nicht nur von Interessenvertretern wie der Verband der Gründer und Selbstständigen (VGSD) an. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages bezeichnete die „erhebliche Ungleichbehandlung“ des Aktivrentenkonzepts in einem Gutachten vom Juni 2025 als „schwierig zu begründen“.
Schon der Umstand, dass die Aktivrente Steuervorteile für eine bestimmte Altersgruppe schafft, braucht ein gutes Argument: den Fachkräftemangel. Dagegen lässt sich die Ungleichbehandlung von Selbstständigen sachlich dagegen kaum rechtfertigen. Selbstständige sind sicher nicht weniger kompetent als ihre Berufskollegen mit Arbeitsvertrag. Wenn Handwerker, Ärzte, IT-Experten, Ingenieure und viele andere spezialisierten Dienstleister fehlen, dann gilt das für Selbstständige genauso wie für Angestellte.
Die Begründung im Gesetzesentwurf: dürftig
Entsprechend dünn ist die Argumentation im Gesetzesentwurf. Man wolle die „Ausweitung abhängiger Beschäftigungsverhältnisse“ fördern, wird als Grund für den Ausschluss Selbstständiger aus der Aktivrente genannt. Warum eigentlich? Ist Selbstständigkeit politisch unerwünscht?
Außerdem arbeite schon jetzt „eine große Zahl von Selbständigen und Unternehmern nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze weiter“, weitere Anreize seien nicht notwendig. Das klingt sehr nach: Die sind sowieso fleißig, auf die müssen wir keine Rücksicht nehmen.
Konsequenterweise soll über eine Einbeziehung von Selbstständigen erst in zwei Jahren nachgedacht werden, im Rahmen einer geplanten Evaluierung der Folgen der Aktivrente.
Wie stehen die Aussichten auf eine Aktivrente auch für Selbstständige?
Leider gibt es wenig Grund, allzu optimistisch zu sein. Derzeit fehlen Signale, dass Selbstständige im Aktivrentengesetz möglicherweise doch noch berücksichtigt werden. Ausgeschlossen ist es aber nicht. Die Petition des VGSD und anderer Verbände hat fast 100.000 Unterschriften erreicht. Das dürfte man auch in der Politik registrieren.
Sollte der Gesetzentwurf in der jetzigen Form verabschiedet werden, werden Klagen aufgrund der Ungleichbehandlung nicht lange auf sich warten lassen. Der Weg bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist allerdings ebenso lang wie steinig. Sollte das Aktivrentengesetz dort landen, haben seine Kritiker gewisse Erfolgsaussichten. Doch selbst bei einem Sieg in Karlsruhe wird die entgangene Steuerbefreiung von niemandem ersetzt.