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Älterer Mann mit Helm und Warnweste erläutert einen Bauplan

Keine Aktivrente für Selbstständige?

Wer das Rentenalter erreicht hat und trotzdem weiterarbeitet, soll von der Lohnsteuer befreit sein. Bis zu 2.000 Euro soll man dann jeden Monat steuerfrei verdienen dürfen. Auch von Sozialversicherungsbeiträgen wäre dieser Betrag ausgenommen.

Das ist der Kern der geplanten Aktivrente. Das Aktivrentengesetz soll noch im Dezember beschlossen werden und bereits ab dem Jahreswechsel 2025/2026 gelten. Die Bundesregierung will damit den Fachkräftemangel bekämpfen. Viele Fachleute und Angehörige von Mangelberufen gehören zur Generation, die jetzt und in den nächsten Jahren die Regelaltersgrenze für die Rente erreicht.

Die Aktivrente soll sie zumindest eine Zeitlang zum Weiterarbeiten motivieren. Immerhin winken bis zu 24.000 Euro pro Jahr, steuer- und abgabenfrei.

Zur Petition: Warum keine Aktivrente für Selbstständige?

Aus Sicht von Selbstständigen hat dieser Plan einen großen Haken: Die Steuerfreiheit wäre auf Beschäftigte begrenzt. Freiberufler und Gewerbetreibende bleiben nach dem jetzigen Stand außen vor.

Dagegen regt sich seit vielen Wochen Protest. Selbstständige fordern, dass ihnen dieselbe Steuerfreiheit ab der Regelaltersgrenze eingeräumt wird wie Beschäftigten. 44 Selbstständigenverbände haben eine gemeinsame Petition gestartet. Ihre Aktion steht unter dem Titel „Aktivrente auch für Selbstständige - wir sind keine Erwerbstätigen zweiter Klasse!“ Bis zum 05. Dezember 2025 kann man die Petition noch unterzeichnen.

Zur Petition

Juristisch und sachlich ist die Ausgrenzung kaum zu rechtfertigen

Viele Verfassungsrechtler warnen davor, dass eine Aktivrente ohne Gewerbetreibende, Freiberufler gegen das Grundgesetz verstößt. Dort ist der Gleichheitsgrundsatz ebenso verankert wie das Recht auf freie Berufswahl, auch in Form einer Selbstständigkeit.

In der jetzt geplanten Form läuft die Aktivrente darauf hinaus, dass Menschen für ihre selbstständige Tätigkeit mit Steuern bestraft werden, die Beschäftigten im gleichen Alter und gleichem Bruttoeinkommen erlassen werden. Das prangern nicht nur von Interessenvertretern wie der Verband der Gründer und Selbstständigen (VGSD) an. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages bezeichnete die „erhebliche Ungleichbehandlung“ des Aktivrentenkonzepts in einem Gutachten vom Juni 2025 als „schwierig zu begründen“.

Schon der Umstand, dass die Aktivrente Steuervorteile für eine bestimmte Altersgruppe schafft, braucht ein gutes Argument: den Fachkräftemangel. Dagegen lässt sich die Ungleichbehandlung von Selbstständigen sachlich dagegen kaum rechtfertigen. Selbstständige sind sicher nicht weniger kompetent als ihre Berufskollegen mit Arbeitsvertrag. Wenn Handwerker, Ärzte, IT-Experten, Ingenieure und viele andere spezialisierten Dienstleister fehlen, dann gilt das für Selbstständige genauso wie für Angestellte.

Die Begründung im Gesetzesentwurf: dürftig

Entsprechend dünn ist die Argumentation im Gesetzesentwurf. Man wolle die „Ausweitung abhängiger Beschäftigungsverhältnisse“ fördern, wird als Grund für den Ausschluss Selbstständiger aus der Aktivrente genannt. Warum eigentlich? Ist Selbstständigkeit politisch unerwünscht?

Außerdem arbeite schon jetzt „eine große Zahl von Selbständigen und Unternehmern nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze weiter“, weitere Anreize seien nicht notwendig. Das klingt sehr nach: Die sind sowieso fleißig, auf die müssen wir keine Rücksicht nehmen.

Konsequenterweise soll über eine Einbeziehung von Selbstständigen erst in zwei Jahren nachgedacht werden, im Rahmen einer geplanten Evaluierung der Folgen der Aktivrente.

Wie stehen die Aussichten auf eine Aktivrente auch für Selbstständige?

Leider gibt es wenig Grund, allzu optimistisch zu sein. Derzeit fehlen Signale, dass Selbstständige im Aktivrentengesetz möglicherweise doch noch berücksichtigt werden. Ausgeschlossen ist es aber nicht. Die Petition des VGSD und anderer Verbände hat fast 100.000 Unterschriften erreicht. Das dürfte man auch in der Politik registrieren.

Sollte der Gesetzentwurf in der jetzigen Form verabschiedet werden, werden Klagen aufgrund der Ungleichbehandlung nicht lange auf sich warten lassen. Der Weg bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist allerdings ebenso lang wie steinig. Sollte das Aktivrentengesetz dort landen, haben seine Kritiker gewisse Erfolgsaussichten. Doch selbst bei einem Sieg in Karlsruhe wird die entgangene Steuerbefreiung von niemandem ersetzt.

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